Heribert Steinbach
Mai 1998
Wird man, wie ich, gebeten, das Vorwort zu einem Katalog für eine „gestandene Künstlerin“ zu schreiben, steht man sehr schnell vor der Frage, inwieweit man schwerpunktmäßig auf die Person der Künstlerin bzw. ihren künstlerischen Werdegang eingehen soll, überhaupt eingehen darf, oder ob man es dabei bewenden läßt, lediglich ihre Arbeiten und ihre Arbeitsweise zu beschreiben.
Was meine Person betrifft, so habe ich mich für den hoffentlich goldenen Mittelweg entschieden und werde mit ein paar Worten auch auf die künstlerische Entwicklung von Margret Roters eingehen, nicht zuletzt, weil dies auch zum Verständnis ihrer Malerei beitragen kann. Kennengelernt habe ich Margret Roters vor ziemlich genau zehn Jahren an der Kunstakademie Düsseldorf. Weil wir im selben Atelierraum arbeiteten, war es mir möglich, ihre künstlerische Entwicklung genau mitzuverfolgen. Offenbar schon von Anbeginn latent vorhanden, der Künstlerin selbst vermutlich aber noch nicht so bewusst, war die Neigung zu reiner Fläche und Farbe im Kontext zum umgebenden Raum.
Margret Roters war damals deutlich beeinflusst vom Werk des Gotthard Graubner, von seinen sogenannten Farbraumkörpern, auf reiner Farbwirkung beruhende, keinerlei formelle Verfestigung zulassende, den Raum öffnende Arbeiten. Obwohl Gotthard Graubner durchaus bereit war, sie als Studentin anzunehmen, hat sich Margret Roters schließlich dann doch dazu entschlossen, sich der künstlerischen Obhut des behutsam agierenden Professors Siegfried Cremer anzuvertrauen.
Dort, im Atelier an der Kunstakademie, wirkte Margret Roters anfangs sehr zurückhaltend, wortkarg. Demonstriertes Selbstbewusstsein gehörte nicht gerade zu ihrem Repertoire. Eine gewisse Zeit lang hatte ich den Eindruck, Margret Roters werde zu einer erfolgreichen Künstlerinnenlaufbahn nicht die erforderliche Kraft und Energie aufbringen.
Wie eklatant ich mich damals in der Person der Künstlerin verschätzt hatte, musste ich im Jahre 1993 anlässlich meiner Einführungsrede zu ihrer Ausstellung im Kunsthaus Mettmann zugeben. Kraft und Dynamik, überhaupt Energie sind inzwischen in der Malerei von Margret Roters die tragenden Elemente. Entscheidend für diese Entwicklung war wohl das Jahr 1991, als Margret Roters die Gelegenheit hatte, an einem Künstleraustausch zwischen Künstlern aus NRW und Kazan in Tatarstan, Rußland, teilzunehmen. Sicher mit gemischten Gefühlen fuhr sie dorthin. Es wurde zu ihrem künstlerischen Durchbruch.
In Kazan war Margret Roters gezwungen, sich durchzukämpfen und vor allem sich gegenüber anderen etablierten Künstlern zu behaupten und durchzusetzen. Aus Rußland zurück kam eine völlig veränderte Frau, mit neuem Selbstbewusstsein ausgestattet, voller Energie und voller Mitteilungsbedürfnis. Was jetzt geschah, war erstaunlich. Es entstanden in einer raschen Zeitfolge kraftvolle, dynamische, farbfrohe Bilder. Die in Rußland gespeicherten Eindrücke mussten „abgearbeitet“ werden.
Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Bei Margret Roters hat konkurrierendes Tätigsein noch mehr bewirkt, nämlich eine gänzliche Änderung ihres Bewusstseins im Hinblick auf ihr künstlerisches Schaffen. Ihr war klargeworden, dass ihre Tätigkeit einen hohen Aufwand geistiger, aber auch physischer Energie erfordert, dass Dynamik und Energie zu ihrer eigentlichen künstlerischen Thematik geworden waren.
Dynamische Verdichtung nennt Margret Roters ihre Malerei.
Künstlerische Ideologie tritt in den Hintergrund, Sinnüberfrachtung findet nicht statt. Im Vordergrund steht stets der Schaffensprozess selbst, die kraftvolle Auseinandersetzung mit dem Material Farbe und der Fläche sowie die Sichtbarmachung dieses Vorgangs, d.h. reine, durch keinen Zwang zur Gegenständlichkeit verwässerte Malerei. Schichtweise wird die Farbe bei dieser “all over”-Malerei mit einer gewissen Gleichmäßigkeit über die gesamte Fläche verteilt. Dabei behält Margret Roters stets das Ganze, die Gesamtheit im Auge und verliert sich nicht in einzelnen Bildpassagen.
Farbe wird prozesshaft eingesetzt als Träger geistiger Inhalte und Auslöser emotionaler Werte. Schwerpunkte werden nicht oder nur andeutungsweise gesetzt. Formelle Verfestigung wird konsequent vermieden. Dies unterscheidet Margret Roters Arbeit deutlich vom Schaffen des von ihr bewunderten einstmaligen Vorbildes Emil Schumacher, eines Hauptvertreters des deutschen Informel.
Trotz ihres oftmals erheblichen Grades an Pastosität bleibt die Malerei von Margret Roters lebendig und „atmungsfähig“. Auch die unteren Farbschichten behalten ihre Wichtigkeit. Der dynamische Schaffensprozess enthält eine ganz klare Zeitkomponente. Es wird auf einen bestimmten Zeitpunkt hingearbeitet, nämlich auf den Moment, zu dem das Gemälde das Optimum an farblicher Energie aufgeladen hat, um ein von der Künstlerin unabhängiges, auch raumbezogenes Eigenleben zu entwickeln, um als Farbkörper die aufgestaute Energie bzw. Dynamik dem Betrachter mitzuteilen und auf ihn einwirken zu lassen. Die randlos gehaltene, offene Malerei strahlt auf Betrachter und Raum ab. Dass Arbeiten dieser Art in der Regel keinerlei Rahmung dulden, versteht sich von selbst.
Mit ihrem konsequenten Schaffen gehört Margret Roters zu den Künstlerpersönlichkeiten, die den Beweis dafür erbringen, daß „in der Zeit stehende“, sich stetig weiterentwickelnde Malerei ihren überragenden Stellenwert im Kunstgeschehen zu behaupten vermag.