Das Tor zum Fluss

Katja Schlenker
Rede zur Ausstellungseröffnung in „Kunst im Hafen“ in Reisholz am 18. April 2014 für Daniela Balthaus und Margret Roters.

Bei der Vorbereitung für die Ausstellung „Das Tor zum Fluss“ stellten sich u.a. zwei wichtige Fragen, die natürlich immer für jede Ausstellung anstehen:
Wie lassen sich verschiedene künstlerische Positionen zu einer überzeugenden Aussage zusammenbringen und wie geht man mit der vorhandenen Raumsituation um, ohne dem Raum gerechter zu werden als der Kunst. Fragen, die nur zu einem erfolgreichen Ergebnis führen, wenn sich alle und alles aufeinander einlassen kann. Dies ist so sehr glücklich geschehen.
Die Düsseldorfer Malerinnen Margret Roters und Daniela Balthaus kennen einander und ihre Arbeiten schon länger, sie sind beide Künstlerinnen, die sich mit Farbe und nichtgegenständlicher Malerei seit Jahren auseinandersetzen, und mit unterschiedlichen Maltechniken experimentieren. Margret Roters verwendet hauptsächlich Öl und Acryl, Daniela Balthaus Tempera und Farbpigmente. Sie bevorzugen für ihre Bilder unterschiedliche Formate von Leinwänden, aber doch – was sie verbindet, ist der Diskurs über Farbe als Material und das stringente Verfolgen des Experimentellen in Malerei. Die Halle ist ein Raum mit sehr eigenwilligem Charakter, die Wände aus brüchig-porösen Quadern, darauf Stahlbänder, die durch Kreuzungen eigene Formstrukturen bilden, fast filigran wirkende Säulen, auf unebenen, rissigem Betonboden.

Arbeitsspuren.
Dieser Ausstellungsraum bietet nur bedingt Schutz für die Kunst oder gar Abgeschlossenheit, dies hier ist kein white cube, was für die Malerei, für die Bilder und für ihre Wirkung, eine Herausforderung ganz besonderer Art darstellt. Denn sie konkurrieren – oder besser gesagt: sie agieren, mit der Materialität und der eigenen der Poesie der Halle, mit der vergangenen Zeit, die sie verströmt.

Wenn sie sich umschauen:
Die großen Tore, die mit Rost und Grau und schwarzem Klebeband fast malerisch wirken, die Fenster, die selbst wie monochrome abstrakte Bilder erscheinen, die Wandstrukturen mit kleinen Durchblicken ins Freie, dies alles korrespondiert überraschender Weise perfekt mit den quadratischen kleinformatigen Malereien von Daniela Balthaus – ohne, dass die Künstlerin dies bewusst vorbedacht hat in ihren Arbeiten. Die Serie “Q” ist bereits lange vorher in ihrem geordneten Atelier entstanden. Auch der Lichteinfall in die Halle ist unkalkulierbar, zufällig und naturabhängig. Und verursacht aber erstaunlich vielseitige Sichtweisen auf die großformatigen expressiven Bilder von Margret Roters. Die Bilder der beiden Künstlerinnen, in der Abgeschiedenheit der kleinen Malerinnenateliers entstanden, sind der Offenheit des Raumes ausgesetzt.

Und doch:
Lässt man die Bilder auf sich wirken, sind sie wie ein Vermittler zwischen Innen- und Außenraum, sie agieren mit der Landschaft und dem nahen Wasser des Flusses, der Luft und des Lichts. Und fast unglaublich: Das Gefühl verstärkt sich, sobald das Tor zum Fluss hin geöffnet ist. Was ist innen, was außen? Bewusst haben sich Daniela Balthaus und Margret Roters, die beide nichtgegenständlich arbeiten, entschieden, ihre Malerei in einen Dialog treten zu lassen: die großformatigen Bilder von Margret Roters mit kräftigem und bewegtem Farbauftrag an den Stirnseiten – kommunizieren mit den in Format 80×80 festgelegten, kleinen, schon ins monochrome gehenden Arbeiten von Daniela Balthaus, die sich wie ein rhythmisches Farbband an den Längsseiten entlang reihen.

Jede künstlerische Position steht trotzdem für sich.
Expressiv sind die Bilder von Margret Roters, die hier Gezeigten sind zwischen 2010 und 2015 entstanden, übereinandergesetzte verdichtete Farbschichten, auf große Leinwände über einen längeren Zeitraum am Boden aufgetragen, gespachtelt, die Oberflächen mit schwungvollen Bewegungen in einem Fluss geglättet oder an manchen Partien abgezogen, abgewischt, was zu einer haptischen Tiefe des Bildes führt. Der Fantasie des Betrachters sind keine Grenzen gesetzt, es entstehen bewegte, fast modellierte Landschaften, an einigen Stellen ist beim nahen Hinsehen Grund auszumachen, es leuchtet aus dem Rot des größten Formates ein Blau hervor.
Die drei bewegten Bilder zum Tor hin sind neuere Arbeiten von M. Roters. Sie zeigen wiederum überlagernde Schichten von Farbe, hier aber lasierend, und leicht, in schwungvollen Bewegungen wie schwebende Seidentücher oder leichte ineinandergreifende Wellen eines Flusses. Das andere eine Erinnerung an eine bergige Schneelandschaft, die Momentaufnahme eines Zustandes. Immer wieder stellt sich Margret Roters mit ihren Bildern die Frage: Wie wirkt Farbe materiell, wie die Töne mit- und gegeneinander, – bringt es Ruhe, Aggressivität, Kraft oder Bewegung und Dramatik, ist Rot gleich Rot, sprengt Farbe das Format, das Format den Raum? …
Dieses Sich – Einlassen, der Materialität der Farbe nachgeben, sie aber auch herauszufordern – ist ein ständiger Prozess, dem sich sowohl Daniela Balthaus als auch Margret Roters in ihrer Kunst stellen. Es führt sie zu ganz eigenen Positionen und Ergebnissen, die nicht in Konkurrenz miteinander, einfach nur an den Wänden hängen, sondern zu einem ganzen Diskurs über Sprache, Klang und Raumvolumen von Farbe führen.

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