„Farblandschaften“

Dr. Katja Schlenker

Arbeiten von Margret Roters bis 2016

Margret Roters Bilder wirken überall. Ob es in einer mit schweren dunklen Maschinen gefüllten Motorenhalle wie in der Dortmunder Kokerei Hansa ist oder in einer großen offenen, durch rissigen Beton und Arbeitsspuren geprägten Werfthalle wie in Düsseldorf Reisholz am Rhein oder wie eben heute hier – in den weißen Fluren des Malteser Krankenhauses St. Johannes Stift, in geschützten, geschlossenen Räumen. Margret Roters Bilder wirken immer, weil sie – wie ich finde – selbstbewusst, frei und ohne Pathos sind.

Als ich vor mehreren Jahren das erste Mal das Atelier von Margret Roters betrat, sprengten die großen Formate mit ihrer kräftigen, bewegten Farbigkeit geradezu die begrenzten Räumlichkeiten. Die Leinwände waren zum Bearbeiten nicht nur an die Wände gespannt sondern am Boden ausgebreitet. Ein Zurücktreten oder gar Ausweichen vor der geballten Farbenergie war nicht möglich.
Doch wie auch immer, die Bilder der Künstlerin tun dem umgebenden Raum gut und nehmen jedes Mal – wie eigenständig agierende Wesen – gleichberechtigt den Diskurs auf mit ihrer Umgebung, mit dem Betrachter und auch miteinander, – durch ihre Farbigkeit, Offenheit und Entschiedenheit, Größe und Dynamik. Wir sehen: Arbeiten, die zwischen 2010 und 2015 entstanden sind. FARBE; JA; Aber um den großen Meisters des Informellen, Emil Schumacher (1912-1999), zu sprechen: „Rot und Blau malen kann jeder, aber was Malerei eigentlich ist, das zeigen die Zwischenbereiche, die nicht mehr als Farbe im üblichen Sinn bezeichnet werden können.“

Betrachten wir die Arbeiten genauer, was sind diese Zwischen-Bereiche in Margret Roters Bildern, in welcher Arbeitsweise entstehen sie? Die erste Schicht auf der Leinwand ist meist mit leichter Dispersionsfarbe – Acryl, Tempera -angelegt, es sind erste Kompositionsentwürfe, dynamisch flächig auf große Leinwände am Boden aufgetragen. Dem freien, zufälligen Lauf der Farbe folgt ein Nachdenken über die Wirkung von Linien, Kompositionen und Farben. Denn Farbe hat viele Eigenschaften, nicht nur physische, chemische, auch energetische, sinnliche und viele mehr. Die darauffolgende Arbeitsweise nennt die Künstlerin selbst „dynamische Verdichtung“, die Malerei wird vielfarbig oder –eher vieltönig, pastos mit Öl fortgesetzt, gespachtelt, die Oberflächen mit schwungvollen Bewegungen in einem Fluss geglättet oder an manchen Partien abgezogen, abgewischt, aufgebrochen, was zu einer haptischen Tiefe des Bildes führt.
Die Bilder entstehen in einem langen Arbeitsprozess mit körperlichen Einsatz, bis sich die gewünschte Farbwirkung tatsächlich einstellt und in einem intensiven Diskurs der Künstlerin über Farbe als Material und das Experimentelle in der Malerei.

Die fertigen Bilder vermitteln diese stetige Auseinandersetzung aber immer noch weiter – In jedem Bild führt sich ein einzigartiges Eigenleben der Farben fort. Keine der Farben steht für sich isoliert, sondern ist eingebunden in ein Farbgewebe, aus dem einzelne Töne mit wechselnder Dominanz hervortreten oder in der Tiefe des offenen Bildraumes versinken. Die Farbigkeit aller Bilder – ihre Buntwerte und Tiefen, variiert je nach Beleuchtung und Lichteinfall. Lässt man die Bilder auf sich wirken – sind sie mal meditativ beruhigend, mal bewegend expressiv oder fließend. Durch energetische Pinselstriche und schwingende Linien entsteht nicht nur ein kraftvoller Ausdruck. Auch Richtung und Tiefe und damit Dreidimensionalität.
Ihre Rahmenlosigkeit erweitert das Bild zusätzlich in den Raum hinein.

Expressiv sind die Bilder von Margret Roters, und abstrakt. Aber was heißt das in diesem Falle – abstrakt. Nimmt man die Definition von abstrakter Malerei wörtlich, versteht sich „Unter dem Begriff die Tendenz, jeden Bezug zur Gegenständlichkeit zu vermeiden und das Gemalte auf Form- und Farbklänge und ihre innerbildlichen Bezüge und Gegensätze zu beschränken.“.
Ob wir im Fall der Arbeit „Seerosen“ eine abstrakte Malerei sehen wollen oder uns an einen Teich mit Seerosen erinnern, bleibt dem Betrachter überlassen. Vom Standpunkt des Betrachters im Raum hängt es ab, was einen assoziativen Wert hat und zwischen Abstraktion und Landschaft liegt. In der Nahbetrachtung ist die Farbe in ihrer Materialität erfassbar, sobald wir die Bilder aus der Ferne als Ganzes überblicken, setzen die Farben und Strukturen nicht auf haptische sondern auf räumliche Wirkung.

So könnte das Bild mit den eingebildeten Seerosen aus der Entfernung ein kostbarer abgetretener Teppich, ein Flickenteppich sein.
So ist Abstraktion in Margret Roters Bild auch manchmal der umgekehrte Weg, z.B. wenn sich Arbeiten auf Erlebtes und Erinnertes in reduzierter Form beziehen. Nehmen wir z.B. die drei großen 2×2 m Bilder, die im Vgl. leicht, schwungvoll wie schwebende Seidentücher oder sich überlagernde sanfte Wellen eines Gewässers wirken. Sie sind im vergangenen Jahr entstanden bei Margret Roters Vorbereitung für eine Ausstellung, die in unmittelbarer Flussnähe stattfand.

Aber auch sie wirken nicht flüchtig, leicht, auch nicht heiter beschwingt, der Malprozess des Übereinanderschichtens erzeugt dichtere eindeutige, geschlossene und kompakte Formen.
In den pastosen Bildern scheinen sich diese durch das Eigenleben der Farbe vor den Augen des Betrachters in Landschaftsmotive umzumodellieren. (Es sind dann im wahrhaftesten Sinne „Farblandschaften“, wie der Titel der Ausstellung andeutet). Untere Schichten, früher Gemaltes scheint bis an die Oberfläche des Bildes hindurch. An einigen Stellen ist beim nahen Hinsehen Grund auszumachen, es leuchtet aus dem Rot des größten Formates ein Blau hervor. Für mich ist dieses immer neu – Entdecken in den Bildern von Margret Roters faszinierend. Sie sind lebendig und testen ihr Gegenüber aus, spielen mit der Wirkung unzähliger Farbzusammenspiele, setzen Ruhe gegen Aggressivität, Kraft gegen sich Fallenlassen, fordern ein – sich Einlassen – eine Überprüfung – geradezu heraus.

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