Geilenkirchen-Kraudorf 2012

Karin Thieves
Ausstellung in Geilenkirchen-Kraudorf 2012

Als ich das Bild anlässlich einer Ausstellung in Geilenkirchen-Kraudorf im Jahre 2012 zum ersten Mal sah, wusste ich, das ist es! Es zog mich magisch an. Ich hatte keinen Blick mehr für andere Bilder. Obwohl ich durch die Ausstellung wanderte, kam ich immer wieder zu diesem einen Bild zurück. Ich sah es schon förmlich daheim an einer bestimmten Wand … Jetzt hängt es genau an dem Platz, den ich instinktiv beim Bau des Hauses dafür vorgesehen hatte, obwohl ich damals nicht genau wusste, welches Bild es denn sein würde. Ich hatte nur die Vorstellung, dass DAS Bild mich finden würde.

Heute lebe ich mit dem Bild. Es ist stiller und unerschütterlicher Bestandteil des fest verankerten Bauwerkes geworden. Morgens, wenn im Sommer der Tag schon strahlend hell und gleißend beginnt, ist es machtvoll, wild, aufwühlend, ein „kalvernder“ Begleiter des aufkommenden Tages. Es gibt mir die Gewissheit, dass kommen mag was will, es wird mit machtvollem Gewicht den Stürmen des Lebens entgegenhalten. Das zerklüftete, ja dreidimensionale Bild mit seiner in der Entwicklung schon entstandenen Erosionen ist mir ein kraftvoller Wegweiser am Beginn eines Tages.
Dann, wenn die Sonne den Tag durchwandert, wird es ruhig um das Bild. Es tritt zurück, lässt Raum für das Tagesgeschehen. Es ordnet sich förmlich den Gegenständen im Hause unter. Mancher Besucher am Tag nimmt das Bild noch nicht einmal wahr, obwohl es schon von den Abmessungen (3,56 m x 2,75 m) her riesig ist und die ganze Wand bedeckt. Es ist einfach da, umfasst den umbauten Raum des Hauses und hält es fest. Es hängt still, ruhig und leise an seinem Platz, und ist die schnelle Vergewisserung des Eintretenden auf Verlässlichkeit und Beständigkeit.

Ganz anders dann am Abend, wenn die Sonne untergegangen ist und die Schatten der Nacht durch gedämpftes Licht im Hause erhellt werden. Das ist die Stunde des Bildes! Jetzt spricht es jeden Betrachter an. Es ist präsent, eindrucksvoll in seiner omnipotenten Größe. Es fordert jeden heraus, der es anschaut. Es will wahrgenommen werden und beschäftigt sein. Jetzt ist es Mittelpunkt des Hauses. Alle anderen Gegenstände im Hause verflüchtigen sich, selbst das kräftige Rot des Sitzmöbels davor hat zu schweigen. Einzige Ausnahme bildet der Flügel, dessen Klang sich mit der Farbe vermischt und eine perfekte Symbiose eingeht. Es ist gleichsam ein Schweben und Gleiten, fern der Realität. Der Betrachter findet sich mitten im Bild wieder. Er sieht, nimmt wahr und benennt Dinge, die tief aus seinem Inneren an die Oberfläche kommen. Es werden Gegenstände, Räume und Wesen bemerkt und erkannt, die für andere Betrachter erst nach eingehender Erklärung und dem Weisen schließlich zugänglich sind. Es ist faszinierend zu erfahren, dass Betrachter ihre eigenen Sichtweisen auf das Bild erst aufgeben müssen, wollen sie die Auffassung des anderen verstehen. Insofern fordert das Bild auf und heraus, den eigenen Blickwinkel für einen Moment beiseite zu legen, um sich einzulassen auf die Sichtweise eines anderen Menschen. Das ist das eigentliche Geheimnis des Bildes und damit der künstlerischen Ausdrucksfähigkeit.

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